Noch weniger Kraft und Wasser dem Reichenbachfall

Nachdem anfangs Jahr das Gesuch der BKW um Erhöhung der Wasserentnahme für das bestehende Kraftwerk Schattenhalb 3 in der Bevölkerung und bei Naturschutzorganisationen Diskussionen und Einsprachen ausgelöst hat, steht bereits ein nächstes Konzessionsgesuch für ein weiteres Wasserkraftwerk am Reichenbachfall an. Diesmal beschäftigt uns das Gesuch der Stiftung Kraft & Wasser, die das stillgelegte Kraftwerk Schattenhalb 2 wieder in Betrieb nehmen will.

Untenstehend finden Sie Informationen zu beiden laufenden Konzessionsverfahren.

Das Wichtigste in Kürze

Das neue/alte Kraftwerk Schattenhalb 2 …
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entnimmt dem Reichenbachfall bei Volllast weitere 1400 Liter Wasser pro Sekunde
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produziert im Sommerhalbjahr an 140 Tagen Strom und entzieht dem Reichenbachfall bis 11,4 Mio. Kubik Wasser
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verdient mit den 3 GWh Strom jährlich Sfr. 180‘000 Franken
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kostet 2,4 Mio und wird trotz diesen stattlichen Einnahmen weitgehend über Steuergelder finanziert (u.a. Denkmalpflege des Kantons Bern)

Was plant die Stiftung "Kraft und Wasser" am Reichenbachfall

Unserer Meinung nach ist der Publikationstext im Amtsanzeiger auch nach der Korrektur unvollständig und irreführend. (Eine entsprechende Rüge ist bei der Leitbehörde deponiert.) Darum zur Klärung die drei wichtigsten Punkte:

1. Wiederinbetriebnahme des stillgelegten Kraftwerks Schattenhalb 2 zur gewinnorientierten Stromproduktion

Der Grosse Rat des Kantons Bern hat mit Konzessionsbeschluss für das Kraftwerk Schattenhalb 3 (SH3) beschlossen, dass das unnötig gewordene Kraftwerk Schattenhalb 2 (SH2) stillgelegt und teilweise rückgebaut werden muss. Damit wurde der Tatsache Rechnung getragen, dass das von SH2 genutzte Reichenbachfall-Wasser (1.4 Kubik / Sekunde) vollumfänglich dem neuen Kraftwerk SH3 zufällt.

Da die alte Konzession verfallen ist, braucht es für die Widerinbetriebnahme von SH2 eine neue Konzession.

Die Eckdaten:

Wasserentnahme bei Vollbetrieb 1400 Liter pro Sekunde
Leistung Turbinen bei Vollbetrieb 1.6 Megawatt
Stromproduktion jährlich bis zu 3 Gigawattstunden
Ertrag Stromproduktion jährlich Sfr. 180'000.—

Wasserentnahme Reichenbachfall im Sommerhalbjahr bis zu 11.4 Mio Kubik Wasser

Trotzdem kommt die Stiftung Kraft & Wasser unterstützt von der Leitbehörde AWA zur Aussage, die Wiederinbetriebnahme passiere «unter Wahrung höchster landschaftsästhetischer Ansprüche bezüglich des Erscheinungsbildes des Reichenbachfalls». Wie kann man einem Wasserfall derart viel Kraft und Wasser entziehen, ohne die Landschaftsästhetik massiv zu schmälern? Diese Frage kann uns die Stiftung Kraft & Wasser (K&W ) nicht beantworten.

Dass bei der Stiftung Kraft & Wasser tatsächlich noch Rest-Liebe für den einst grossartigen Reichenbachfall vorhanden ist, wird einzig sichtbar in ihrer Absicht, während den Reichenbachfallbahn-Betriebszeiten mehr als nur das absolute Restwasser von 850 Liter/Sekunde dem Fall zu belassen. Aber auch die 2100 Liter/Sekunden Dotation von K&W sind sichtbar weniger als die 3500 Liter/Sekunde die dem Fall verbleiben ohne die zusätzliche Nutzung von SH2.

Unzweifelhaft sichtbar allerdings wir der Unterschied sommers um Punkt 17.30 Uhr, wenn die Reichenbachfallbahn Feierabend macht. Dann nämlich beginnt für die Verantwortlichen von K&W bereits die Nacht und es wird nur noch das Restwasser von 135 Liter/Sekunden ungenutzt dem Reichenbachfall belassen. Das heisst konkret: kein sommerliches Apéro mehr, keinen Abendspaziergang, kein Einschlafen mehr beim Rauschen des Reichenbachfalls. Bei 135 Liter/Sekunde kann der Reichenbachfall nicht mehr als Gewässer wahrgenommen werden.

Aber auch morgens nimmt der Reichenbachfall künftig den Betrieb erst spät auf: bis um 9.00 Uhr das erste Bähnli der Reichenbachfallbahn die Talstation verlässt, hat der Reichenbachfall Nachtruhe.

Die unsägliche Verknüpfung des Restwasserregimes mit den Betriebszeiten der Reichenbachfallbahn (die nota bene von der KWO betrieben wird) muss dringend neu diskutiert werden – zugunsten von Gästen und Einheimischen, bei denen ein Sommertag länger als 8½ Stunden dauert.

2. Betreiben eines Museums rund um die Stromproduktion am Reichenbachfall

Zu diesem Punkt gibt es wesentlich weniger Informationen. Im «technischen Bericht» lesen wir folgendes:

«Nach der Wiederinbetriebnahme des Kraftwerks wird die ursprüngliche Ausstattung des Kraftwerks und die dazugehörige Maschinistenwohnung an einzelnen publizierten Besuchstagen zu besichtigen sein, wie es von ‘Tagen der offenen Tür’ von anderen technischen Anlagen bekannt ist.»

Nach Absicht der Stiftung Kraft & Wasser werden die 180'000 Franken aus dem Ertrag der Stromproduktion in den Museums-Betrieb investiert. Die grundsätzlich bestechende Idee hat aber einen Schönheitsfehler: das historische Kraftwerk Schattenhalb 2 kann die anvisierten 180'000 Franken nur verdienen, wenn die Anlage modernisiert und mit High-tech-Elementen in Steuerung und Überwachung ausgestattet wird. Damit verliert die Anlage viel von ihrem historischen Wert – und wird zu einem ganz normalen, modernen Wasserkraftwerk umfunktioniert.

3. Umwandlung der Maschinisten-Klause in eine Ferienwohnung

In den Gesuchsunterlagen nicht erwähnt werden die weiteren Pläne der Stiftung Kraft & Wasser im künftigen Museum. In Zeitungsartikeln und Informationsbroschüren ist nachzulesen, dass die ehemalige Maschinisten-Wohnung zu einer Ferienwohnung (unter der Heimatschutz-Initiative «Ferien im Baudenkmal») umgebaut wird. Auch Apéros sollen künftig angeboten werden.

Wie sich diese künftige Nutzung mit den raumplanerischen Vorgaben verträgt, sei dahingestellt.

Wie können wir uns gegen die Wiederinbetriebnahme von Schattenhalb 2 wehren?

Vorlage für Ihre persönliche Einsprache, die Sie eigenhändig anpassen und ergänzen können:

Einsprachefrist bis 7. Mai

Gesuchsunterlagen der Stiftung Kraft & Wasser


Konzessionsänderung Schattenhalb 3

Was planen die BKW am Reichenbachfall?

Mit der beantragen Konzessionsänderung wollen die BKW erwirken, dass sie dem Reichenbachfall statt wie bisher 2800 Liter/Sekunden künftig 3360 Liter/Sekunden entziehen und nutzen dürfen. Da die Maschinen entgegen der ursprünglichen Konzession bereits auf die 3360 Liter/Sekunden ausgelegt wurden (!), kann dies ohne bauliche Massnahmen umgesetzt werden.

Welche Auswirkungen hat die beantragte Konzessionsänderung auf den Wasserfall?

Sollte dem Gesuch der BKW stattgegeben werden, verliert der Reichenbachfall pro Sekunde weitere 560 Liter. Mit ihrer Aussage, dass das Restwasser nicht von der zusätzlichen Wasserentnahme tangiert wird, suggerieren die BKW, dass sich am Reichenbachfall nichts ändert. Dem ist leider nicht so!

Die Konzession für Schattenhalb 3 schreibt folgende Restwassermengen vor:
1. Oktober – 30. April (gesamtes Winterhalbjahr): Restwasser = Null
1. Mai – 30. September (Sommerhalbjahr): Restwasser = 135 Liter/Sekunde

Ausnahmen im Sommerhalbjahr während der Betriebszeit der Reichenbachfallbahn an mind. 10 Stunden am Tag: Restwasser = 850 Liter/Sekunde

An dieser Stelle müssen wir feststellen: 850 Liter/Sekunden ergeben keinen Wasserfall, und schon gar keinen Reichenbachfall. Bis heute bringt der Reichenbach glücklicherweise an rund 110 Sommertagen so viel Wasser, dass die BKW nur einen Teil davon nutzen können. An diesen Tagen fliesst mehr als das vorgeschriebene Restwasser über den Fall – sehr zur Freude von Tourismus und Bevölkerung!

Die Konzessionsänderung würde den Reichenbachfall an diesen 110 Sommertagen empfindlich schmälern und an bis zu 14 Sommertagen zusätzlich auf Restwasser setzen. Neu würde (immer gemäss BKW-Daten) an einem Drittel der 153 Sommertage nur noch 850 Liter/Sekunde und damit das gesetzlich vorgeschriebene Minimum über den Fall fliessen. (Und das wie oben erwähnt nur an zehn Stunden am Tag. Abends und nachts, sowie den ganzen Winter über ist der Fall sowieso schon trockengelegt.)

Warum wollen die BKW mehr Wasser nutzen?

Erstaunlicherweise haben die BKW beim Bau von Schattenhalb 3 bereits 20 Prozent Reserve eingebaut. Das Kraftwerk war und ist auf die Nutzung von 3360 Liter/Sekunde ausgelegt, obwohl die Konzession nur die Nutzung von 2800 Liter/Sekunde erlaubt.

War das Absicht? Oder ein Versehen? Oder vielleicht doch die klassische Salamitaktik?

Gemäss Angaben der BKW kommt noch ein weiterer Grund dazu: die Klimaerwärmung – und damit das Abschmelzen des Rosenlaui-Gletschers –bringen angeblich dem Reichenbach mehr Wasser.

Der Nachweis dazu ist noch ausstehend. Und: die Überlegungen sind nicht nachhaltig: Bereits in wenigen Jahren wird das Schmelzwasser infolge des fortschreitenden Gletscherschwundes wieder abnehmen. Was dann?

Ist der Reichenbachfall geschützt?

Ja.

Obwohl die Konzession 2006 aussergewöhnlich wenig Restwasser vorschreibt (Restwasser = Null ist von Gesetzes wegen nicht gestattet und schweizweit ein unrühmliches Unikum) hat der Kanton den Reichenbachfall in der Wasserstrategie 2010 geschützt. Im kantonalen Richtplan und im Richtplan Oberland Ost ist dieser Schutz behördenverbindlich festgeschrieben mit dem Zusatz dass «der Wasserfall und seine Wasserführung in seiner natürlichen Umgebung erhalten bleiben und jede Beeinträchtigung seiner Ansicht verhindert werden soll».

Was bringt die zusätzliche Wasserentnahme der Energiewende?

Die zu erwartende jährliche Mehrproduktion beträgt gemäss BKW 2.3 Gigawattstunden. Dass bedeutet eine Erhöhung der Produktion von gerade Mal 4,6 Prozent. Der Beitrag an die Energiewende ist damit nicht einmal marginal. Zudem fällt auch dieser Schattenhalb-3-Strom im Sommer an, wenn die ganze Schweiz längst im Strom schwimmt.

Was bringt das Projekt der Region?

Nichts als Schaden: keine neuen Arbeitsplätze, keine zusätzlichen Steuereinnahmen der Gemeinden, keine Wertschöpfung, nicht einmal einen Bauauftrag.

Wie können wir uns wehren?

Der Verein «schattenhalb4» wird sich gemeinsam mit nationalen Organisationen (u.a. Aqua Viva und Stiftung für Landschaftsschutz) mit einer Einsprache gegen das Projekt wehren.

Selbstverständlich können auch Privatpersonen Einsprache erheben. Achtung: die Einsprachefrist läuft bereits am 7. Januar 2021 ab.
(Der Verein «schattenhalb4» hat wegen formaler Mängel eine erneute Publikation beantragt.)

Ihren Unmut kundtun können Sie aber auch direkt und persönlich per E-Mail oder per Brief:

Bau- und Verkehrsdirektor des Kantons Bern
Regierungsrat Christoph Neuhaus
Reiterstrasse 11
3013 Bern

Wirtschafts-, Energie- und Umweltdirektor des Kantons Bern
Regierungsrat Christoph Ammann
Münsterplatz 3a
Postfach
3000 Bern 8

Gemeindepräsident Meiringen
Roland Frutiger
Gemeinde Meiringen
Rudenz 14
3860 Meiringen

Gemeindepräsident Schattenhalb
Andreas Michel
Gemeindeverwaltung
Gässli 22
3860 Schattenhalb

CEO Bernische Kraftwerke BKW
Frau Dr. Suzanne Thoma
Kontakt direkt über Webseite:

verein schattenhalb 4 – seit 10 Jahren im Einsatz für den Reichenbach